Samstag, 19. Februar 2011

Absurd....








Unter dem Titel „Absurd“ setzt sich Stephan Wahl kritisch mit der aktuellen Debatte um den Zölibat und die Sexualmoral auseinander. Er fordert eine evangeliumsgemäße Debatte: „Sie zeigt sich auch im offenen fairen Streit, im Respekt vor anderen Positionen und barmherzigen Umgang mit menschlichem Scheitern."

Es wird immer absurder. Jetzt hat schon ein bayrischer Pfarrer den Zölibat für Politiker gefordert. Vielleicht wäre es in manchem Fall wirklich Schadensbegrenzung, aber dieser Vorschlag ist nun doch eher etwas für Karneval.

Aber im Ernst: ich habe diese Zölibatsdiskussion im doppelten Sinne satt.
Jeder Normalsterbliche würde es sich verbitten wenn jemand
so in sein ganz persönliches Leben eingreift.

Es ist schon etwas her, da war ich Gast in einer Talkshow und der Moderator fragte mit fast mitleidigem Augenaufschlag ob ich mir denn ganz sicher sei, dass ich den Zölibat ein Leben lang durchhalten könnte.
Was soll man da antworten? Ich hab’ dann zurückgefragt, ob er sich denn sicher sei, dass er mit seiner Frau ein Leben lang zusammen sein würde.
Das Gesicht des Moderators entgleiste, die Kamera reagierte, ließ ihn Sekunden unbeobachtet, bis er ganz schnell das Thema wechselte. Einige Wochen später konnte ich seine überraschte Reaktion verstehen. Die Medien berichteten vom Ende seiner Ehe.

Das ist das Eine. Lasst doch die über den Zölibat diskutieren die es betrifft und nicht die, die zu allem und jedem etwas zu sagen haben.

Ist denn jeder der, aus welchen Gründen auch immer, allein lebt, nicht zurechnungsfähig? Ist doch völlig absurd.

Zölibat, Ehelosigkeit ist und bleibt eine kostbare Lebensform. Aber eben nicht für jeden. Auch für nicht für jeden, der gerne mit Leidenschaft als Priester wirken möchte. Es gibt großartige evangelische verheiratete Seelsorger und nicht überzeugende katholische Einzelkämpfer. Und genauso umgekehrt!

Deshalb bin ich der festen Überzeugung: der Zölibat in seiner positiven Bedeutung kann nur bestehen, wenn er freigestellt wird. Dann wird er auch in der Gesellschaft mehr respektiert als jetzt. Ohne Hintergedanken, als ganz persönliches Zeugnis, neben anderen ebenso glaubwürdigen und kostbaren Lebensformen.

Ich habe diese Diskussion aber auch aus einem zweiten Grund satt: Es gibt so viele drängend wichtige Themen
die Menschen zutiefst bewegen und für die sie zu recht Orientierung durch ihre Kirche erwarten. Zum Beispiel beim Thema Freiheitswillen von Völkern, die nach jahrzehntelanger Bevormundung auf die Straße gehen und ihre Rechte einfordern. Oder beim Thema Atomkraft, und unsere Verantwortung für spätere Generationen, und und und…

Ich schäme mich dafür, welche Energie wir im Blick darauf für innerkirchliche Themen verschwenden. Und mit denen wir die Gesellschaft erbarmungslos nerven. Ich bin mir sicher, um nur einige Streitthemen zu nennen, weder verheiratete Priester, noch respektierte wiederverheiratete Katholiken, noch verantwortungsvoll lebende homosexuelle Menschen werden die Kirche ins Wanken bringen.

Sondern: das um Sich Selbst Kreisen, die formelhafte Härte, das Ende vom gemeinsamen Suchen nach der Wahrheit, die uns alle umtreibt und leidenschaftlich bewegt. Dieses Suchen ist nichts anderes als die Sehnsucht nach Gott, der größer ist als unsere engen menschlichen Vorstellungen. Und bei dieser Suche sind mehr Menschen an unserer Seite als wir vermuten.

Darüber sollten wir mehr reden und weniger über Sexualmoral. Zu dem Thema wären ein paar Jahre kirchliche Redepause gar nicht schlecht. Miteinander reden ohne sich pauschal zu verdächtigen: das Evangelium hat dafür eine Methode, die uns zwar sehr schnell über die Lippen kommt, aber umso schwerer gelebt wird: Die Methode Liebe. Sie zeigt sich auch im offenen fairen Streit, im Respekt vor anderen Positionen und im barmherzigem Umgang mit menschlichem Scheitern.

Und sie ist mehr als eine Methode. In ihr wirkt Gott selbst.

Ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und allen die zu Ihnen gehören einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

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10 Kommentare:

  1. Respekt und DANKE für diese Stellungnahme. In ALLEN Details!

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  2. Das Wort zum Sonntag schaue ich mir eigentlich nie an, bin durch Zufall darauf gekommen.Ich bin nicht der "Vorzeige Gläubiger", meine Eltern haben mich christlich erzogen,und ich ziehe mein eigenes Ding durch, brauche dafür nicht jeden Sonntag in die Kirche.
    Was ich nur sagen wollte, ich fand diese Ansprache klasse, jeder kann/ soll auf seine Weise glauben und sich nicht an Sachen festhalten, weil es "so sein muss".
    Es gibt wirklich wichtigeres, was leider durch solche überflüssigen Diskussionen im Hintergrund geraten,schade.
    Danke für dieses Wort, es war aufbauend!

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  3. klasse Wort zum Sonntag

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  4. Vielen Dank, Monsignore Wahl, für Ihr WzS am 19.02.11. Endlich einmal ein Angebot aus dem Munde eines "geweihten Gefäßes" zum Nachdenken und Verinnerlichen, das nicht von der hohen Kanzel auf das "gemeine Volk" (heute nennt man es zum Glück schon "Volk der Erlösten) heruntergepredigt wird. Es gibt in unserer Kirche wahrlich Wichtigeres als die sehr oft so vordergründig geführte Zölibatdiskussion. Ob die Beiträge jener Priester, die aufgrund der erreichten Stufenleiter in den Strukturen der Kirche meinen, das Volk der Erlösten vornehmich belehren zu müssen, immer hilfreich sind, bezweifele ich sehr. Als ich heute Morgen in der hl. Messe bei einer eher langweiligen als ansprechenden Predigt das Faltblatt "Gedanken zum Zölibat" von Kardinal Meisner las, sträubten sich mir bei einigen Stellen die Nackenhaare. So kann man keinen überzeugenden Dialog in der Kirche führen,schon gar nicht mit jenen die aus tiefster Überzeugung sich zu dieser Kirche zählen, die sich allerdings auch erlauben kritisch zu sein und den Weg der Kirche in der heutigen Zeit zu hinterfragen. Ihr Beitrag beweist, daß Sie um die Bedeutung des Dialogs als Grundlage der Kommunikation wissen. Wie wollen Priester Menschen außerhalb der Kirche überhaupt erreichen, wenn sie ausschließlich Belehrende senden. Die aktuelle Diskussion beweist: Selbst innerhalb der Kirche stoßen sie auf z.T. heftigen Widerspruch, obwohl diese Menschen schon alle katholisch sind.
    Ihnen herzliche Grüße und Gott vergelt`s

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  5. Sehr geehrter Herr Wahl,

    durch Zufall habe ich gestern ihr Wort zum Sonntag gehört. Ich teile ihre Ansicht, dass eine Freistellung des Zöllibats sinnvoll wäre. Mein Wunsch wäre ebenfalls, dass wir uns nicht nur mit innerkirchlichen Themen beschäftigen, sondern klar zu den Problemfeldern in unserer Gesellschaft Stellung beziehen. Vielen Dank für ihr ermutigendes Wort zum Sonntag.

    Eberhard Vogt

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  6. Sehr geehrter Herr Monsignore,

    wie kann man als hochrangiger Prälat derart oberflächlich bleiben?

    Erstens: Es geht Jesus Christus nicht darum Menschen in der Welt 'glücklich' zu sehen, sondern die Ehre Gottes wieder herzustellen und denen, die auf Sein Sühneopfer vertrauen und ihr Leben in Seine Hände geben, in die Anschauung Gottes zu führen. Dass dabei einige schmerzliche Läuterungsprozesse in Kauf zu nehmen sind, liegt in der Natur der Dinge und an der Erbsünde. Dass man diese 'Kreuze' übersteht, ohne das Unternehmen 'Seelenheil' in den Sand zu fahren, dafür steht Gott mit Seiner Gnade und den Sakramenten der Kirche ein. - Die Welt wird nicht mehr besser, höchstens einzelne Menschen und die von diesen geprägten gesellschaftlichen Strukturen. Innerweltliche Utopien sind immer antichristlich.

    Zweitens: Wie wollen Sie denn in einer derartig übersexualisierten Gesellschaft wie der unseren, dieses Thema ausklammern ohne dabei die Ursache der meisten gesellschaftlichen Probleme: Beziehungsmangel, psychische Belastungen, demographischer Wandel u.ä. zu verfehlen und die Menschen daran zu erinnern, dass Gott von Ihnen in erster Linie einmal Gehorsam und die klassische theologale Tugend des Glaubens fordert, wenn sie jemals 'glücklich' werden wollen.

    Ja, ich meine auch das wir nur um uns selbst kreisen. Ich vermisse sehr den öffentlichen, lautstarken Einsatz der deutschen Katholiken, Bischöfe eingeschlossen, für jene Christen, die in muslimischen Ländern mit dem Leben für ihren Glauben eintreten, anstatt über vermeintlich zölibatsbedingten Priestermangel oder die Nicht-Zulassung zur Kommunion von im Konkubinat Lebenden Verheirateten zu klagen.

    Ich weiß, dass die Versuchung sehr groß ist, als weltangepasster Katholik ein bei den nicht katholischen Mitmenschen 'guter Katholik' zu sein, weil man als 'gläubiger Katholik' ja nur noch schief angesehen wird. Als welterfahrener mündiger Mensch kann ich Ihnen aber versichern, dass ein weltangepasster Katholik, einfach nur ein Katholik ist, der zu feige ist, auf eigene Verantwortung zu sündigen.

    T. de Ahumada

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  7. Sehr geehrter Herr Wahl,
    vielen Dank für dieses ehrliche Wort zum Sonntag, das ich in jedem Punkt unterschreiben würde. Ich hoffe, dass Ihnen daraus keine Nachteile entstehen und würde mir allgemein wünschen, dass die verkrusteten Strukturen in der katholischen Kirche endlich aufgebrochen werden. Mir geht es auf den Geist, dass nur die alten Köpfe und die erzkonservativen "Ayatollahs" in der Kirche das Sagen haben.

    Jochem Wahl
    (nicht verwandt od. verschwägert!)

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  8. Wie auch viele andere, ich schaue nie das Wort zum Sonntag. Meistens schalte ich sofort um, sei es auch nur fuer die paar Minuten, weil ich das Wort zum Sonntag so öde finde.
    Dieses Mal war ich aber verbluefft. Endlich mal jemand der klare Worte spricht. Ihr Beitrag hat mir sehr gefallen und es freut mich zu sehen, dass es auch noch solche Reden in der katholischen Kirche geben kann.
    Vielen Dank

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  9. Herzlichen Dank für die klaren und mutigen Worte. Hoffentlich trifft Sie jetzt nicht der Bannstrahl der Hierarchie. Wenn Sie sich über uns informieren wollen, besuchen Sie unsere Homepage. In unserer Vereinigung sind auch nicht Betroffene gern gesehene Mitglieder.

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  10. Herzlichen Dank für die offenen und mutigen Worte!
    Es tut gut zu hören, dass jemand offen und ehrlich sich mit den brennenden Fragen ausseinandersetzt und auch öffentlich aussetzt!
    Die Glaubwürdigkeit der Kirche leidet, wenn sich die Kirchenleitung nicht endlich diesen Fragen stellt!
    Herzlichen Dank nochmals!
    Walter Lang

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